Rede auf Doron Rabinovici
Laudatio zum Mörike Förderpreis
Meine Damen und Herren, lieber Doron!
Wenn ein Wort hereingesegelt kam, dunkelsilbrig, scharfkantig, wenig gebraucht, von Geistesgegenwart aber an den Rändern verschliffen, wenn es hereingesegelt kam, landete im Gehorch der Herumsitzenden, löste es sofort Gelächter, Gelache, Lächeln, Seelengeflirre aus. Doron Rabinovici hatte das Wort aus einer seiner unzähligen Buchstabenzusammensetzfalten gezogen, mit Wüstensand verschmirgelt und hernach zum Gebrauch freigegeben.
Wieso Wüstensand? Rabinovici kam in Tel Aviv zur Welt. Die Wüste ist nahe, ihr Wind bestreicht die Stadt gern und oft. Womöglich sind die kleinen Sandkörner eingefleischt und vom Zweijährigen hernach nach Wien eingeschleppt worden. Jedenfalls hat Doron ein großes Reservoir dieses Beschmirgelungsmaterials, damit die Wörter den Leuten nicht wie mit Fett eingeschmierte Ohrwürmer in die Seele fahren wie bei allerlei Literatur heute üblich.
Es liegt nicht in den Genen, doch ein kultur-historisches Gedächtnis kann schon Wirkung entfalten: Dorons Mutter Schoschanna wurde bei der Liquidierung des Gettos von Wilna im Stoffsack ihrer Mutter bei der Selektion zum Leben gerettet. Als er selber viel später von diesen Dingen erfuhr, von den Glücksfällen in der Großen Katastrophe für die europäische Judenheit, von den Voraussetzungen seiner eigenen Existenz also, da stieg sein Thema direkt in seine Alphabetisierung hinein: Rabinovici ist zum Dichter des verhangenen Schuldgefühls geworden. „Ich bin schuld“, rufen seine Protagonisten unentwegt, bevor sie als Buch verbrennen oder sich aus den Mullbinden des Verhängnisses entwickeln.
Dazu muss gelacht werden, denn wenn einerseits die Beschmirgelung verhindert, dass sein Wortzeug einfach heruntergeschluckt wird, so brauchts für so ein sperrig Ding wie Verhängnis auch wieder Schmiermittel, der Witz also, der uralte Witz, der aus der Wüste ebenso wie aus Vormorgen, der aktuelle Fass- und Beißwitz gradso wie der gemüdete unterirdisch wirkende der babylonischen Gefangenschaften. An diesem Schnittpunkt von Mysterium und Tagesgeschäft entsteht gelegentlich Verdichtung, Literatur der speziellen Art, nachzulesen in DIE SUCHE NACH M, PAPIRNIK.
So freue ich mich, dem Doron Rabinovici, dem Sätzesteller, dem Geschichtenerzähler, dem Historiker (seine Dissertation INSTANZEN DER OHNMACHT erscheint demnächst im Jüdischen Verlag des Suhrkampverlages), dem politisch mit Scharfsinn und Feuer in etwaige Verhängnisse Eingreifenden, zum Mörike-Förderpreis zu gratulieren. Lassen Sie mich das nicht leicht zu sehende Band zwischen Eduard und Doron im Verborgenen halten; sie werden es sicherlich in den Maserungen der Rabinovicischen Textur entdecken, fransig, von Aktualitäten benagt, im skurrilen Licht etwas beschimmert.
Alles Gute